Ein Schlagwort, das inmitten des Fachkräftemangels in Kliniken und Praxen immer mehr in den Fokus rückt, ist der Begriff Künstliche Intelligenz (KI), im Englischen „Artificial Intelligence“ (AI). Zunehmend liest man vom „AI-Recruiting“, und immer mehr Unternehmen suchen gezielt nach AI-Recruitern. Erste Dienstleister bewerben sich mit dem Hinweis, auf AI-Recruiting spezialisiert zu sein, um sich so von ihrer Konkurrenz abzugrenzen. Es wird davon gesprochen, dass KI das Recruiting revolutionieren und die Personalabteilungen auf den Kopf stellen wird. Doch was genau verbirgt sich dahinter? Handelt es sich hier tatsächlich um eine völlig neue Form des Recruitings?
Von KI-Recruiting würde man sprechen können, wenn KI in allen wichtigen Schritten des Recruiting-Prozesses dominieren würde oder wenigstens stark vertreten wäre.
Ein professioneller Recruiting-Prozess ist äußerst vielschichtig, wenn man diesen von Beginn (Bedarfsermittlung) bis hin zum Mitarbeiter-Onboarding betrachtet. Um zu klären, wie weit und tiefgreifend KI bereits in den einzelnen Recruiting-Schritten verankert ist, möchten wir diese im Folgenden genauer analysieren.
1. Personalplanung in der Medizin mit KI
Künstliche Intelligenz (KI) kann die Personalbedarfsplanung in der Medizinbranche durch eine umfassende Analyse von Patientenströmen, saisonalen Schwankungen und Belastungsspitzen wesentlich präzisieren. Mithilfe von Machine-Learning-Algorithmen greift sie auf historische Daten zurück, erkennt Muster und sagt personelle Engpässe frühzeitig voraus. Darüber hinaus ermöglichen KI-gestützte Trendprognosen, die demografische Entwicklungen, Krankheitsverläufe und politische Veränderungen berücksichtigen, eine vorausschauende Personalplanung. Die automatisierte Arbeitszeiterfassung und Analyse optimieren die Schichtplanung und Überstundenverteilung, um die tatsächliche Verfügbarkeit des Personals genau abzubilden. Mithilfe von Echtzeit-Tracking kann KI schließlich die aktuelle Auslastung kontinuierlich überwachen und den Personalbedarf direkt anpassen, was besonders in Notfallsituationen hilfreich ist.
Eine Studie von McKinsey & Company aus dem Jahr 2024 zeigt, dass HR-Teams, die auf vorausschauende Analytik setzen, 35 % mehr Zeit für wichtigere Aufgaben wie die Mitarbeiterentwicklung aufwenden können.
2. Erstellung und Steuerung der Stellenanzeigen mit KI
Konnte im ersten Schritt der Bedarf an Personal ermittelt werden, so gilt es, als nächstes die geeigneten Kandidaten zu finden, diese systematisch anzusprechen und deren Interesse für die Stelle zu wecken. Um eine möglichst hohe Reichweite zu erzielen, werden hierzu oftmals Job-Portale wie LinkedIn, Stepstone oder Indeed genutzt.
Diese Form von Plattformen setzten bereits auf Algorithmen und Künstliche Intelligenz, um den Recruiting-Prozess so effizient wie möglich zu gestalten und um Arbeitgebern und Arbeitnehmern einen Mehrwert bieten zu können.
Mithilfe der Künstlichen Intelligenz wird kontinuierlich das Verhalten und die Präferenzen der Jobsuchenden analysiert. Dabei werden Faktoren wie zum Beispiel Suchanfragen, Profilinformationen und vergangene Interaktionen mit Anzeigen herangezogen. Anhand dieser Daten können Stellenanzeigen dann personalisiert und gezielt an diejenigen ausgespielt werden, die für die Stelle am besten „matchen“. Faktoren wie Nutzeraktivität, Tageszeit und Standort entscheiden dann, wann und wo die Stellenanzeigen im Portal platziert werden. Um die maximale Sichtbarkeit zu erreichen, werden Anzeigen mit einem hohen Matching-Wert priorisiert ausgespielt. Mit der Zeit wird die KI aufgrund von Machine-Learning-Techniken immer präziser darin, die passenden Stellenanzeigen auszuwählen und zu platzieren. Sie lernt aus den Ergebnissen der vorherigen Anzeigenkampagnen, was für die Nutzer am relevantesten ist, und verbessert so kontinuierlich die Aussteuerung der Anzeigen.
3. Chatbots in der Bewerberkommunikation
KI-gestützte Chatbots und Kommunikationssysteme ermöglichen eine schnelle und personalisierte Interaktion mit potenziellen Kandidaten im Bewerbungsprozess – ein entscheidender Vorteil für Kliniken und Praxen, die oft unter hohem Zeitdruck stehen. Diese Chatbots beantworten häufig gestellte Fragen wie „Welche Positionen sind derzeit verfügbar?“, „Wie läuft der Bewerbungsprozess ab?“, oder „Welche spezifischen Qualifikationen werden für die ausgeschriebene Stelle benötigt?“ effizient und rund um die Uhr. Auf diese Weise übernehmen Chatbots eine zentrale Rolle in der Erstkommunikation, entlasten das Rekrutierungsteam und gewährleisten, dass Bewerber zeitnah und umfassend informiert werden. Laut einer Umfrage von Korn Ferry steigern Chatbots nicht nur die Effizienz, sondern auch die Zufriedenheit der Bewerber – insbesondere, da sie sofort Antworten auf ihre Fragen erhalten und sich dadurch besser informiert fühlen.
4. Präzises Matching im Medizinsektor mit KI
Der automatisierte Matching-Prozess ist eine der vielversprechendsten Anwendungen von KI im Recruiting medizinischen Fachpersonals. KI-gestützte Systeme analysieren Bewerberprofile und gleichen sie mit den spezifischen Anforderungen offener Stellen in Kliniken und Praxen ab. Das Ziel: hochqualifizierte Kandidaten schneller und präziser zu identifizieren. Studien, wie die von BuiltIn (2024) zeigen, dass KI in der Lage ist, hunderte Bewerbungen in Sekundenbruchteilen zu durchforsten und die relevantesten Informationen herauszufiltern. Das Resultat? Eine spürbare Entlastung für Recruiter und eine deutlich gesteigerte Passgenauigkeit – entscheidend in einem so spezialisierten Bereich wie der Gesundheitsbranche.
5. KI-Unterstützung bei Interviews und Assessment-Centern
Konnte durch den Matching-Prozess ein geeigneter Kandidat ermittelt werden, so wird der Kandidat im nächsten Schritt zu einem Interview eingeladen und muss meist außerdem auch ein Assessment Verfahren erfolgreich durchlaufen.
Die Automatisierung hat inzwischen auch den Interviewprozess im Recruiting medizinischer Fachkräfte erreicht. KI-gestützte Tools unterstützen Kliniken und Praxen bei der effizienten Planung und Durchführung von Interviews, einschließlich der Analyse von Video-Interviews. Es können Mimik, Tonfall und Wortwahl der Bewerber analysiert werden, um wichtige Hinweise auf emotionale Intelligenz, Einfühlungsvermögen und Engagement zu gewinnen – zentrale Eigenschaften für medizinisches Personal, das täglich in direktem Kontakt mit Patienten steht.
Werden im Bewerbungsverfahren auch Assessment-Verfahren durchgeführt, kann auch hier die KI unterstützend eingesetzt werden. Neben der Überprüfung von fachlichen Qualifikationen wie medizinische Kenntnisse und klinische Erfahrung, gilt es auch essenzielle Soft Skills wie Problemlösungsfähigkeit, Empathie und Teamarbeit zu ermitteln – da diese in Kliniken und Praxen eine zentrale Rolle spielen. Laut einer Untersuchung von Pymetrics haben Unternehmen, die solche Technologien einsetzen, eine 20%ige Steigerung der Einstellungseffizienz und eine 25%ige Verbesserung der Einstellungsqualität erreicht.
6. Vertragsverhandlungen im medizinischen Recruiting
Konnte der Bewerber erfolgreich die Interview-Phase und das Assessment-Center meistern, so geht es im nächsten Schritt in die Vertragsverhandlungen. Auch hier kann die KI diesen Prozess positiv unterstützen, indem sie fundierte Datenanalysen bereitstellt, auf deren Basis der Vertrag erstellt werden kann. Durch die Analyse von Markt- und Branchendaten können realistische Gehalts- und Vertragsbedingungen identifiziert werden, die eine solide Informationsgrundlage für Verhandlungen ermöglichen. Auch die rechtlichen Risiken sowie potenzielle Unklarheiten können durch KI identifiziert und eliminiert werden. Dies schafft Transparenz und minimiert die Risiken. Um eine einvernehmliche Einigung zu erhöhen, kann die künstliche Intelligenz Vertragsangebote an individuelle Präferenzen und Ziele der Kandidaten anpassen. Damit macht KI den Verhandlungsprozess im medizinischen Bereich schneller, transparenter und zielgerichteter für beide Parteien.
7. Maßgeschneidertes Onboarding in der Gesundheitsbranche mit KI
Hat der Wunschkandidat seinen Vertrag unterschrieben, dann stellt das erfolgreiche Onboarding den nächsten großen Meilenstein im Recruiting-Prozess dar. Auch hier gibt es Ansatzpunkte für die KI. So kann diese einen maßgeschneiderten Einarbeitungsplan erstellen, der alle relevanten Informationen berücksichtigt und dem medizinischen Mitarbeiter dabei hilft, sich schneller in seine Aufgaben einzuarbeiten und sich in seiner neuen Arbeitsumgebung wohlzufühlen.
Professionelles Recruiting ist ein sehr vielschichtiger Prozess. Bei vielen dieser Schritte geht es um das Herausschälen von Mustern sowie das Erkennen von schwachen Signalen auf Basis einer großen Datenmenge – und genau hierfür ist KI prädestiniert.
Es ist also wenig überraschend, dass man im Recruitingprozess mittlerweile in jedem Prozess-Schritt auf KI stößt. Die Spannweite reicht von einfachen automatisierten Prozessen, wie dem Vorausfiltern von Bewerbern, bis hin zu komplexen, datengestützten Entscheidungsprozessen, die auf vorausschauenden Analysen und intelligenten Algorithmen basieren. Die Tiefe der Integration und der tatsächliche Mehrwert der verwendeten Tools sind dabei sehr unterschiedlich.
Gleichwohl zeigt es sich, dass die Durchdringung der KI in den einzelnen Prozess-Schritten bei Weitem nicht reicht, um von einem „KI-Recruiting“ sprechen zu können.
Unsere Beobachtung deckt sich hier mit der Analyse von Korn Ferry. Diese belegt, dass 83 % der Talent-Acquisition-Profis in irgendeiner Form KI nutzen, jedoch der Einsatz erheblich variiert.
Es zeigt sich deutlich, dass der Begriff KI-Recruiting sehr inflationär eingesetzt wird und oftmals als „Label“ verwendet wird, um ihn als Marketinginstrument zu nutzen. Da es keine einheitliche Definition von AI-Recruiting gibt, führt dies zu einem gewissen Maß an Verwirrung, was tatsächlich darunter zu verstehen ist. Und bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass viele dieser Ansätze noch nicht vollständig ausgereift sind und eher unterstützende als revolutionäre Werkzeuge darstellen.
Für diesen Trend hat sich in der Fachwelt sogar ein Begriff etabliert: AI-Washing. Das bedeutet, dass Unternehmen den Begriff „KI“ benutzen, um innovativ zu wirken, ohne dass ihre Lösungen tatsächlich auf echter künstlicher Intelligenz basieren. Dies verhält sich sehr ähnlich zu dem bereits etablierten Begriff „Greenwashing“.
Dennoch sehen wir klar, dass es ein Entwicklungspotenzial für KI-Recruiting gibt und so kann es durchaus sein, dass unsere Ergebnisse in einigen Jahren anders aussehen werden. Bis dahin ist es wichtig, sich nicht auf das Thema zu versteifen. Der Recruiting-Markt in der Medizinbranche ist zu stark umkämpft, um mit diesen zwar zukunftsträchtigen, aber heute doch nur stellenweise wirksamen KI-Impulsen die eigentliche Methode zu vernachlässigen. Denn das Wichtigste – auch beim Einsatz von KI – ist: Dass eine persönliche Beziehung zu den Kandidaten aufgebaut wird. Das ist genau das, was wir schon seit über 20 Jahren feststellen und sich bis dato noch nicht geändert hat. Gerade im medizinischen Bereich, in dem es um Menschen geht, bleibt der Faktor „Mensch“ entscheidend. Der persönliche Kontakt, das Verständnis für individuelle Anforderungen und die Vermittlung von Kultur- und Werten eines Arbeitgebers können durch KI nicht ersetzt werden.
Unsere Erfahrung bei EMC Adam zeigt, dass der Erfolg im Recruiting vor allem auf die richtige Kombination aus menschlichem Know-how und sinnvoll eingesetzten Technologien zurückzuführen ist. Die Entscheidungsträger in Kliniken und Praxen sollten sich daher nicht allein auf das „AI-Washing“ verlassen, sondern auf kompetente Partner, die das Gesundheitswesen verstehen und die passenden Talente finden und diese langfristig binden – für die Zukunft Ihrer Einrichtung.
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